Manche Wege brauchen keine großen Höhen, um uns zu berühren. Die Kapellenrunde in Flaurling ist genau so ein Weg – ein ruhiger Spaziergang durch Geschichte, Glaube und die stille Schönheit des Inntals.
Etwa fünf Kilometer lang, mit rund 200 Höhenmetern, führt sie durch Weiler, Wälder und über alte Kreuzwege – gesäumt von sieben Kapellen, jede für sich ein kleines Denkmal der Zeit.
Der Kalvarienberg – ein stiller Wächter über dem Dorf
Der Rundgang beginnt im Herzen des Dorfes bei der Pfarrkirche von Flaurling. Hier lohnt es sich, einen Moment innezuhalten – der barocke Bau, umgeben von alten Bäumen, bildet den würdevollen Auftakt. Von dort führt der Weg hinauf auf den Kalvarienberg – ein Ort, der nicht nur religiös bedeutend ist, sondern auch fotografisch seine ganz eigene Stimmung entfaltet. Elf kleine, offene Kapellen flankieren den Kreuzweg, die zwischen 1824 und 1856 erbaut wurden. In den 1960er-Jahren wurden sie mit modernen Mosaiken von Herbert Wachter neu gestaltet – jedes Bild ein Fenster in das Leiden Christi, kunstvoll in Szene gesetzt unter schindelgedeckten Dächern. Die Kalvarienbergkapelle selbst steht wie ein stiller Wächter über dem Dorf.
Sieben Kapellen – sieben Stationen der Ruhe
Von hier führt die Runde weiter in den kleinen Weiler Bärfall. Eingebettet zwischen alten Höfen liegt dort eine einfache, aber liebevoll gepflegte Kapelle. Sie ist wie ein Innehalten zwischen zwei Atemzügen – ruhig, bescheiden, kraftvoll. In jüngerer Zeit wurde die Bärfallkapelle von den Bewohnern des Weilers liebevoll renoviert, um ihren Erhalt für kommende Generationen zu sichern.
Der Weg führt weiter nach Fritzens – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Gemeinde östlich von Flaurling – wo eine weitere kleine Kapelle mit Blick ins Inntal wartet. Auch hier: kein Prunk, keine großen Gesten, sondern stille Würde.
Noch weiter hinauf geht’s zum Weiler Schwaighof. Die Schwaighofkapelle liegt auf etwa 851 Metern Höhe und markiert den höchsten Punkt der Kapellenrunde in Flaurling. Sie ist nicht nur ein Ort der Andacht, sondern bietet auch einen beeindruckenden Blick auf die umliegende Berglandschaft. Die Kapelle ist ein stiller Zeuge der religiösen Traditionen der Region und lädt Besucher dazu ein, einen Moment der Ruhe und Besinnung zu genießen. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und steht seit 2015 unter Denkmalschutz. Die Kapelle ist ein einjochiger, gemauerter Bau mit einer runden Apsis, einem Satteldach und einem kleinen, geschindelten Dachreiter. Im Inneren befindet sich ein tonnengewölbter Raum, der mit einem gemalten Altarbaldachin geschmückt ist.
Der Weg wendet sich nun talwärts, bis in den Weiler Ram. Die Kapelle im Weiler Ram, auch als Ramkapelle oder Marienkapelle bekannt, ist ein bedeutendes religiöses und historisches Bauwerk in Flaurling. Sie wurde im Jahr 1815 errichtet, nachdem am 20. Juli desselben Jahres ein besonderes Ereignis stattgefunden hatte: Zeitgenössischen Überlieferungen zufolge erschien an diesem Sommertag die Muttergottes auf einem Felsen in der Nähe des heutigen Kapellenstandorts. Dieses Marienwunder bewegte die Dorfgemeinschaft dazu, an dieser Stelle eine Kapelle zu errichten, um der Erscheinung zu gedenken und einen Ort der Andacht zu schaffen.
Am anderen Ende des Dorfes, dort wo die Felder zur „Lände“ auslaufen, findet sich eine weitere Kapelle, die eine besonders berührende Geschichte trägt: die Ländkapelle. Ihre Entstehung geht zurück auf das Jahr 1770. Ein Schmied aus Flaurling erlitt bei der Arbeit eine schwere Augenverletzung – ein Eisenspan hatte sein Augenlicht bedroht. Als keine Hilfe möglich schien, wandte er sich im Gebet an die Waldraster Madonna und versprach, im Fall seiner Heilung, eine Kapelle zu ihren Ehren zu errichten. Tatsächlich wurde er wieder gesund – und hielt sein Versprechen. Noch heute trägt die Kapelle das Bildnis der Madonna und erzählt von Vertrauen, Hoffnung und Dankbarkeit.
Ihr Baukörper ist rechteckig mit leicht eingezogenem, polygonalem Chorschluss. Die Fassade besticht durch ein überhöhtes Rundbogenportal, ein charakteristisches Ochsenauge und einen Giebelreiter. Im Inneren überrascht ein Kreuzgratgewölbe, getragen von kunstvoll gestalteten Stuckpilastern – ein fast barock anmutendes Kleinod, eingebettet in bäuerliche Landschaft.
Nach diesem stillen Schlenker, vorbei am wunderschönen Risschlössl mit seiner Riskapelle, kehrt man zurück zur Pfarrkirche Flaurling – und irgendwie ist man selbst auch ein wenig zurückgekehrt: geerdet, entschleunigt, vielleicht sogar innerlich ein wenig weiter gegangen.
Die Kapellenrunde in Flaurling ist weit mehr als ein Ausflug. Sie ist ein leiser Dialog mit der Landschaft, ein Spaziergang durch gelebte Geschichte und ein kleines Abenteuer für jeden, der mit offenen Augen und offenem Herzen unterwegs ist. Für Fotografen bietet sie unzählige kleine Wunder – im Licht, in den Details, im Gefühl. Für alle anderen: ein Ort zum Durchatmen.