Schleicherlaufen in Telfs

Schleicherlaufen in Telfs: Ein Spektakel des Brauchtums bei Kaiserwetter

Gestern fand in Telfs wieder das traditionsreiche Schleicherlaufen statt – ein Fest, das nur alle fünf Jahre gefeiert wird und dessen Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Bei strahlendem Sonnenschein bot sich den Besuchern ein einzigartiges Spektakel voller Farben, Klänge und mystischer Symbolik

Ein Fest mit jahrhundertealter Tradition

Das Schleicherlaufen ist eines der bedeutendsten Fasnachtsbräuche im Alpenraum und seit 2010 Teil des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Die Ursprünge dieses Rituals sind tief in vorchristlichen Fruchtbarkeitsriten verwurzelt. Es markiert den Übergang vom Winter zum Frühling und feiert den Sieg des Lebens über die Dunkelheit.

Schon im 18. Jahrhundert sind die sogenannten "Schleicher" – Männer mit kunstvollen Hüten und geheimnisvollen Bewegungen – in den Gassen von Telfs belegt. Der Name „Schleicher“ kommt von ihrer Art, sich leise und schleichend zu bewegen, bevor sie plötzlich mit lautem Knall auf den Boden stampfen und ihre Masken lüften. Diese Darbietung soll den Winter vertreiben und den Frühling herbeirufen.

Telfer Schleicherlaufen

Der Panznaff

zeigt seine rote Zunge

Der Ablauf des Schleicherlaufens

Bereits in den frühen Morgenstunden begann das Ritual:

  • 07:00 Uhr: Die Sonne wird durch den Ort getragen – ein Symbol für die wiederkehrende Wärme des Frühlings.
  • 08:45 Uhr: Die "Wilden" ziehen lärmend durch den Ort und kündigen das Spektakel an.
  • 09:00 Uhr: Die Schleicher marschieren feierlich auf, gefolgt vom Einfangen des „Bären“ um 10:00 Uhr.
  • 11:00 Uhr: Beginn der Hauptaufführung auf dem ersten Spielplatz.

Jede dieser Stationen ist reich an Symbolik und wird von zahlreichen Gruppen mit aufwendigen Kostümen und charakteristischen Rollen dargestellt.

 

Die Gruppen und ihre Bedeutung

Die Schleicher

Die Hauptfiguren des Festes. Sie tragen aufwendig verzierte Hüte mit floralen Mustern, Spiegeln und Federn. Ihr Tanz beginnt mit langsamem, schleichendem Schreiten, bis sie sich mit einem kräftigen Stampfen offenbaren. Die Schleicher stehen für den Übergang vom Winter zum Frühling – ihr Auftreten soll böse Geister vertreiben.

Telfer Schleicherlaufen

Die Schleicher

mit ihren faszinierenden Hüten

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Die Wilden und der Panznaff

Die Wilden sind eine der furchteinflößendsten Gruppen des Schleicherlaufens. Sie treten in zotteligen Fellkostümen mit schaurigen Masken auf, schlagen mit Stöcken auf den Boden und treiben mit den Zuschauern Schabernack. Sie verkörpern das Chaos der ungebändigten Naturkräfte und sollen mit ihrem lärmenden Auftreten den Winter vertreiben.

Eine besondere Figur unter den Wilden ist der Panznaff. Diese Gestalt ist das komplette Gegenteil der düsteren Wilden: Er trägt eine auffällige Maske, schlägt lautstark Tschinellen und schneidet dem Publikum Grimassen. Zudem „zonnt“ er – das heißt, er streckt den Zuschauern die Zunge heraus und sorgt damit für Heiterkeit.

Der Panznaff steht in einem leeren Holzfass, das von einem Esel auf einem Wagen gezogen wird. Während der Fahrt sorgt er mit seiner übermütigen Art für Unterhaltung – er klaut allzu neugierigen Zuschauern gerne mal die Kopfbedeckung und bringt sie mit seinen Kapriolen zum Lachen.

Diese Figur hat vermutlich eine lange Tradition: Ein tschinellenschlagender Affe ist bereits auf einem Fresko des Goldenen Dachls in Innsbruck bei einer höfischen Mummerei zu sehen. Der Telfer Panznaff könnte also ein Nachfahre dieser alten Darstellung sein und verbindet auf einzigartige Weise derbe Volkskomik mit alpenländischem Fasnachtsbrauchtum.

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Die Vier Jahreszeiten

Die Vier Jahreszeiten sind eine symbolträchtige Gruppe des Schleicherlaufens, die den stetigen Wandel der Natur verkörpert. In prächtigen, detailreichen Kostümen ziehen sie durch die Straßen und bringen die Charakteristika ihrer jeweiligen Jahreszeit zum Ausdruck.

  • Der Frühling tritt als junger, frischer Bursche auf, der mit bunten Blumen, Grün und zarten Farben geschmückt ist. Er steht für den Neuanfang, das Erwachen der Natur und die Wiederkehr des Lebens.
  • Der Sommer präsentiert sich kräftig und voller Energie, mit Ähren und sattem Grün in seiner Tracht. Er symbolisiert Wachstum, Reife und die Zeit der Fülle.
  • Der Herbst zeigt sich in warmen, erdigen Tönen, mit buntem Laub und Trauben als Zeichen der Erntezeit. Er verkörpert den Übergang, den Rückzug der Natur und die Vorbereitung auf die kälteren Monate.
  • Der Winter erscheint in kühlen, gedämpften Farben mit frostigen Akzenten. Er steht für Kälte, Ruhe und Vergänglichkeit – doch auch für die Hoffnung auf den erneuten Beginn des Kreislaufs.

Jede dieser Figuren trägt einzigartige Attribute, die ihre jeweilige Jahreszeit repräsentieren. Gemeinsam bilden sie eine eindrucksvolle Darstellung des ewigen Wechsels der Natur, der sich jedes Jahr aufs Neue vollzieht – und damit perfekt in das Schleicherlaufen als Fest des Wandels und der Erneuerung passt.

Telfer Schleicherlaufen

Frühling

Frühling

Telfer Schleicherlaufen

Sommer

Telfer Schleicherlaufen

Herbst

Telfer Schleicherlaufen

Winter

Die Herolde

Die Herolde sind die offiziellen Verkünder des Schleicherlaufens. In prächtigen historischen Gewändern ziehen sie mit Trommeln und Fanfaren durch den Ort und verkünden lautstark das bevorstehende Spektakel. Sie sorgen dafür, dass jeder im Dorf weiß: Jetzt beginnt die Fasnacht!

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Die Bären und Exoten

Die Gruppe der Bären und Exoten bringt eine besondere Mischung aus Wildheit und Exotik in das Schleicherlaufen. Sie stehen für das Fremde, das Unbekannte und die ungezähmten Kräfte der Natur, die erst durch den Menschen gebändigt werden müssen.

Die Bären spielen eine zentrale Rolle: Sie stehen für Kraft, Instinkt und Naturverbundenheit. In dicken, zotteligen Fellen gehüllt, werden sie von ihren Bärentreibern an Ketten geführt. Doch die Bären lassen sich nicht leicht kontrollieren – sie toben, reißen sich los und stellen sich gegen ihre Treiber auf, bevor sie schließlich gezähmt werden. Ihr wildes Auftreten symbolisiert den uralten Kampf zwischen Mensch und Natur.

Neben den Bären ziehen auch exotische Figuren durch die Straßen, die an weit entfernte Länder erinnern. Mit auffälligen, farbenfrohen Kostümen und fantasievollen Darstellungen sorgen sie für Staunen und Abwechslung. Sie repräsentieren die Faszination des Unbekannten und bringen einen Hauch von fernen Kulturen in das Telfer Fasnachtstreiben.

Diese Gruppe fügt dem Schleicherlaufen eine spannende, fast mystische Komponente hinzu – sie zeigt den Kontrast zwischen zivilisierter Ordnung und unbändiger Wildheit und erinnert daran, dass das Fremde immer auch eine Bereicherung sein kann.

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Die Laninger und der Naz

Eine der markantesten Gruppen des Schleicherlaufens sind die Laninger, die für ihr selbstbewusstes und leicht subversives Auftreten bekannt sind. Ihr bekanntestes Symbol ist der Naz – eine Puppe in Kleinkindgröße, die als jüngster Spross der Laninger gilt.

Der Naz ist eine historische Puppe mit typisch menschlichen Fähigkeiten: Er trinkt Schnaps, raucht Zigaretten und übergibt sich dann unter großem Gelächter auf die Zuschauer.

Der Zonner

Diese markante Figur auf dem Dörcherkarren verspottet die Zuseher, indem er ihnen die Zunge zeigt („zonnt“). Einige Zonner ließen sich sogar die Vorderzähne ziehen, um die Zunge möglichst weit herausstrecken zu können.

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Der Zonner

zeigt seine blaue Zunge

s’Galtmahd

Diese Gruppe stellt die harte Arbeit der Bauern in früheren Zeiten dar. In traditionellen Arbeitskleidern ziehen sie mit Sense, Rechen und Mistgabeln durch den Ort und erinnern an die Zeit, in der das Heumachen (Galtmahd) eine der wichtigsten Tätigkeiten im Jahreslauf war.

Die Bease Buam

Die „Bösen Buben“ sind eine der frechsten Gruppen des Umzugs. Sie treiben Schabernack mit den Zuschauern, necken sie und spielen ihnen kleine Streiche. Dabei sorgen sie für jede Menge Gelächter und lockern das Geschehen auf.

Die Bachoufn

Diese Gruppe stellt eine traditionelle Handwerkszunft dar. „Bachoufn“ bedeutet Backofen, und so symbolisieren sie das alte Bäckerhandwerk, das einst für die Dorfgemeinschaft unverzichtbar war. Mit Mehlsäcken und Brotkörben ausgestattet, verkörpern sie das bäuerliche Leben vergangener Zeiten.

Die Kurpfuscher

Die Kurpfuscher verkörpern wandernde Heiler und Quacksalber, die in früheren Jahrhunderten durchs Land zogen und den Menschen allerlei dubiose Wundermittel anboten. Mit humorvollen Auftritten und übertriebenen Heilversprechen sorgen sie für beste Unterhaltung.

Die Soafnsiader

Diese Gruppe stellt die alten Seifensieder dar, die in früheren Zeiten die wertvolle Haushaltsseife herstellten. Mit Kesseln und Rührlöffeln bewaffnet, zeigen sie humorvoll, wie mühsam die Seifenproduktion einst war.

Die Vogler

Die Vogler ziehen mit kunstvollen Vogelkäfigen durch den Ort, in denen hölzerne Vögel sitzen. Sie symbolisieren den noch gefangenen Frühling, der darauf wartet, aus dem Griff des Winters befreit zu werden. Ihre kunstvoll geschnitzten Masken und aufwendigen Gewänder machen sie zu einem Highlight des Umzugs.

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Telfer Schleicherlaufen

Ein unvergessliches Erlebnis

Das Schleicherlaufen in Telfs ist mehr als nur ein Fasnachtsbrauch – es ist ein tief verwurzeltes Kulturerlebnis, das die Geschichte, Tradition und das Gemeinschaftsgefühl der Region widerspiegelt. Mit seinen einzigartigen Figuren, beeindruckenden Masken und dem rhythmischen Klang der Trommeln zieht es jeden Besucher in seinen Bann. Über Wochen zieht die Fasnacht Telfs in den Bann!

Die perfekte Wetterlage gestern machte dieses ohnehin schon spektakuläre Ereignis zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle Beteiligten.Ich freue mich bereits auf die nächste Ausgabe in fünf Jahren!

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